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Was dann mit dem Südlibanon passiere, fragt der Reporter in der Videoreportage, die 2019 erschienen ist. »Der ist Teil davon, alles! Sogar Teile Syriens, Iraks und Irans. Es ist riesig!« Was auch sechs Jahre nach dem Interview noch nach den wahnwitzigen Illusionen isolierter Fanatiker klingt, wird mittlerweile offen von Ministern der Regierung vertreten, mit denen Weiss bestens vernetzt ist.

Was nicht sein darf: Unrechtsstaat Israel
In Deutschland, das historisch vor allem Erfahrungen mit biologistisch begründetem Faschismus hat, scheint diese Ideologie als wenig bedrohlich empfunden zu werden, wenn sie überhaupt bekannt ist. Das zeigt beispielhaft ein Vortrag der Journalistin Charlotte Wiedemann an der Leuphana-Universität in Lüneburg im Januar 2025, wo sie über den wachsenden Einfluss rechtsextremer Strömungen und Politikerinnen in Israel sprach und den fundamentalreligiösen Einfluss in der Politik aufzeigte. Es würde ihr aber das Herz brechen, als Deutsche diesen Staat faschistisch zu nennen. Als könne nicht sein, was nicht sein darf: dass sich die nach der Shoah in Palästina errichtete jüdische Heimstätte zu einem Unrechtsstaat entwickeln könnte. Dabei hat sie die Faschisierungsprozesse selbst herausgearbeitet: das ungleiche Rechtssystem für Israelis und Palästinenserinnen, den Siedlerextremismus im Westjordanland, die genozidale Sprache von Militärs und Politikerinnen gegenüber den Menschen in Gaza, die Arbeit von Forschenden, die die Gefahr eines aufziehenden Klerikalfaschismus sehen. **Den Reaktionen nach schien mehreren Zuhörenden – darunter Professorinnen – vieles davon unbekannt zu sein. Ein Teilnehmer fragte gar, weshalb sich arabische Staaten denn von einem Großisrael bedroht fühlen müssten, sich der geopolitischen Sprengkraft dieser Ideologie gänzlich unbewusst.**

Verschiedene, aber nicht alle Vertreterinnen des politischen Zionismus vertraten diese Idee eines »Großisrael« seit dem 19. Jahrhundert. Je nach biblischer Auslegung oder realpolitischen Gegebenheiten wurden unterschiedliche Modelle und Ansprüche formuliert. Nach der Staatsgründung Israels hatten dessen Anhängerinnen mal mehr, mal weniger Einfluss auf die Politik. Cherut, die Vorgängerpartei der heutigen Likud, war bis 1967 quasi die einzige relevante Partei, die diese Haltung vertrat. Aufwind für die Ideologie in Politik und Gesellschaft kam durch den Sechstagekrieg, als Ostjerusalem, die syrischen Golanhöhen und das Westjordanland unter israelische Kontrolle kamen – bis heute nach internationalem Recht illegal besetzt. Auch der Likud-Block versprach Ende der 70er Jahre, dass es zwischen Meer und Jordan nur eine israelische Staatlichkeit geben werde.

Terroristen als Minister
Heute werden diese radikalen religiösen Fanatiker nicht mehr vom politischen Establishment boykottiert, sie sind es selbst: Der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, war Mitglied der erwähnten Kach-Partei, die in den 90er Jahren verboten und als Terrororganisation eingestuft wurde. Die rechtsextreme Partei propagierte »Großisrael« und verübte Anschläge auf Palästinenserinnen. **Ben Gvir selbst wurde 2007 wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer Terrororganisation verurteilt. Noch 2021 bedrohte er Palästinenserinnen mit einer Pistole. Wenig später ist er als Verantwortlicher der Grenzpolizei im Westjordanland aktiver Teil des Besatzungsregimes und lebt selbst dort in der illegalen Siedlung Kiryat Arba.**

»Wir sagen ihnen: ›Wir geben euch die Möglichkeit, das Land zu verlassen und in andere Länder zu gehen. Eretz Yisrael Shelanu – Das ist unser Land Israel!‹« Ein Kampfbegriff der israelischen Rechten, der in diesem Zusammenhang oft als Synonym für »Großisrael« benutzt wird. Auch Finanzminister Bezalel Smotrich nahm dort zum wiederholten Mal teil und verkündete, Gaza sei »Teil des Landes Israel«. Der militärische Sieg dort, so Smotrich, müsse erreicht werden, um »Gaza zu besiedeln.« Darum geht es ihm nicht nur als bloßes Kriegsziel. Die Besiedlung ist Teil größerer Ambitionen. Ebenfalls im Oktober sprach er mit dem Sender Arte und erklärte auf die Frage, ob Israel über seine derzeitigen Grenzen hinausgreifen würde: »Absolut. Stück für Stück. Unsere alten religiösen Führer sagen, dass die Zukunft Jerusalems darin liegt, sich bis nach Damaskus auszubreiten.« Smotrich vertritt eine Maximalvision »Großisraels«, das von den palästinensischen Territorien, über Jordanien, den Libanon, bis nach Syrien reichen soll und Teile Ägyptens und Saudi-Arabiens einschließt.

Mit Leuten wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir ist die Gefahr nach dem Griff nach »Großisrael« gefährliche Realität geworden. Auch Benjamin Netanjahu selbst hat in den vergangenen 20 Jahren darauf hingearbeitet, einen palästinensischen Staat unmöglich zu machen. Zwischen »River« und »Sea« soll es nur den Staat Israel geben. »Großisrael« ist eine Ideologie, die über Jahrzehnte an Einfluss in Politik und Gesellschaft gewinnen konnte und so die aktuelle Kriegsführung beeinflusst, die zehntausenden Menschen das Leben gekostet hat. Es geht um nicht weniger als die komplette Neuordnung des sogenannten Nahen Ostens.